Eigentlich
wollte ich niemals etwas über mich, meine Wünsche, Gefühle und
Gedanken im Internet darstellen, aber habe mich nun entschieden doch
etwas davon an andere weiter zu geben.
Ich
bin eine transgeschlechtliche (transsexuelle) Person; geboren in einem männlichen Körper
und mit dem Wesen einer Frau.
Warum
das so ist kann ich nicht sagen, betrachte mich jedoch als eine Laune
der Natur, die dadurch wieder einmal beweist, daß
nichts im Universum einfach nur schwarz-weiß, sondern alles bunt und
vielfältig ist.
Jetzt
bin ich in der letzten Phase meiner Transition und möchte das andere
Menschen daran teilhaben.
Der
Grund dafür ist, daß ich damit betroffenen Personen Mut machen
möchte ihren eigenen Weg zu beschreiten und ihn bis zuende zu
gehen.
Ein
gültiges Rezept gibt es dafür natürlich nicht, weil jeder Mensch
anders ist und in einem anderen Umfeld lebt.
Jedoch
Angst zu haben oder Befürchtungen zu leben machen da keinen Sinn.
Das transsexuelle Menschen existieren ist ein natürlicher
Bestandteil unseres Lebens. Deshalb verfügen wir auch über das
Recht so zu sein wie wir sind und das auch öffentlich zu leben. Das
Transsexuellen Gesetz (TSG) bietet uns dazu den geschützten Raum.
Also gibt nichts was uns das verwehren darf.
Aus
Gesprächen mit anderen transidenten Menschen weiß ich, daß es
immer wieder Schnittmengen in den Lebensläufen gibt. Vielleicht kann
ich hiermit einen kleinen Beitrag leisten, damit Leser und Leserinnen
sehen können, daß sie mit ihren Problemen nicht alleine sind und es
Lösungen gibt.
Denn ein bischen was geht immer :-)
Denn ein bischen was geht immer :-)
Ich werde von Zeit zu Zeit immer wieder
beschreiben wie ich meinem Ziel, legal und offiziell als Frau zu
leben, näher komme und wie ich mich dabei fühle.
Seit
letztem Jahr bin ich in der begleitenden Psycho- und Hormontherapie.
Ich darf sagen, daß ich mich sehr wohl fühle und es mir
ausgezeichnet geht.
Seitdem
ich Hormone nehme ist in mir eine Friedlichkeit entstanden, die nur
sehr schwer zu beschreiben ist.
Im
Alltag lebe ich bereits seit vielen Jahren als Frau. Probleme hatte
und habe ich deshalb noch nie bekommen. Ganz im Gegenteil, egal wo
ich mich befinde sind die Menschen sehr zuvorkommend und freundlich
zu mir.
Was
ich niemals mache ist der Versuch mich zu erklären, aber wenn Fragen
an mich gerichtet werden, die meine Transgeschlechtlichkeit betreffen, gebe
ich gerne und offen Antwort. Bisher traf ich dabei immer auf
Verständnis und Offenheit.
Die
geschlechtsangleichende Operation ist und war der Endpunkt "meines
Weges", dem ein langer Entwicklungsprozess voraus gegangen war.
Doch zunächst erstmal eins nach dem anderen...
Die Vorbereitung:
- 2010 -
Im
September 2010 ließ ich bei mir eine erste medizinische Untersuchung
vornehmen, die feststellen sollte, dass sich eine Hormontherapie
(HRT) und eine Geschlechts angleichende Operation (GAOP) problemlos
bei mir durchführen ließ.
Das
Untersuchungsergebnis ergab, dass ich keine gesundheitlichen Probleme
hatte und so konnte ich den nächsten Schritt angehen, indem ich mir
eine geeignete psychologische Begleitung suchte, wie es das
Transsexuellengesetz (TSG) vorschreibt.
Das war
nicht so einfach, denn es gibt nicht sehr viele, erfahrene
Psychologen und Psychiater, die sich mit transgeschlechtlichen
Menschen auskennen. Hinzu kommt noch, dass die meisten auf Monate
hinaus ausgebucht sind und/ oder kein Interesse haben sich damit zu
befassen.
Bei
einigen entschied ich mich „nein“ zu sagen, weil sie Dinge
sagten, die ich nicht akzeptieren konnte oder wollte. Nach vielen
Telefonaten mit verschiedenen Psychotherapeuten/ innen gab mir eine
Psychologin, gegen Ende des Jahres 2010, den Hinweis mich doch einmal
an Frau Andrea Ickert, einer Kollegin aus Braunschweig zu wenden.
Schon
am Telefon merkte ich, dass ich einen Draht zu ihr bekam, betrachtete
meine Suche als beendet und bat um einen Termin für ein Erstgespräch
bei ihr. Sie konnte mir jedoch keinen Termin vor Mai anbieten, aber
ich kam auf die Warteliste, was beinhaltete, dass ich vorgeschoben
werden konnte, falls vorher ein Termin frei wurde.
- 2011 -
Ende
März 2011 kam dann der Anruf und Mitte April trafen wir uns zum
ersten mal. Wir führten ein sehr offenes und vertrauensvolles
Gespräch, in dem nicht nur über mich erzählte, sondern sie auch
über sich. Wir gaben uns 24 Stunden Bedenkzeit, um in Ruhe überlegen
zu können, ob wir die psychologische Begleitung gemeinsam
durchführen wollten, denn es ist ja so, dass die Chemie zwischen
Psychotherapeuten und Patienten stimmen muss, damit ein
Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Ohne dem gibt es keine
Offenheit.
Beginn der psychotherapeutischen Begleitung:
Am
nächsten Tag rief ich in ihrer Praxis an. Meine Entscheidung war
positiv ausgefallen und ich fragte nach, wie sie darüber dachte. Sie
dachte genauso wie ich und wir vereinbarten einen erneuten Termin.
Zwei Wochen später trafen wir uns wieder und damit
hatte mein Angleichungsprozess offiziell begonnen.
Wir
trafen uns bis Anfang Juli zweimal im Monat, redeten über meine
Vorgeschichte, ich füllte eine Reihe von Fragebögen aus und wir
lachten oft herzlich miteinander.
Frau
Ickert hat seit dreißig Jahren Erfahrung mit transidenten Menschen
und kennt unsere Nöte und Sehnsüchte. Ihre Fragen waren sehr
persönlich und gingen unglaublich in die Tiefe.
Im Juli
erstellte sie ihre Diagnose, F64.0 (Transsexualismus) und gab mir die
wichtige Freigabe für die Hormontherapie (HRT).
Beginn der endokrinologischen Begleitung:
Nun
begann die Suche nach einer geeigneten endokrinologischen Begleitung,
welche die Besonderheiten einer M>F Hormontherapie kannte.
Nach
vielen Telefonaten bekam ich Kontakt mit Frau Dr. Sabine Wöhle in
Braunschweig, die mir
gleich einen Termin für ein Beratungsgespräch gab. Das Gespräch
dauerte über eine Stunde, in dem sie sich überzeugte, dass ich es
ernst meinte und sie mich auf die Risiken und Folgen der HRT hinwies.
Das war
gegen Ende Juli 2011. Danach ging es erstmal in den Urlaub.
Ich
hatte beschlossen die HRT erst danach zu beginnen, weil ich nicht
wußte ob ich die hormonelle Umstellung ohne Probleme ertrage. Das
diese Entscheidung richtig war bestätigte sich später.
Als ich
aus dem Urlaub zurückkehrte ließ ich mir Blut abnehmen, damit es in
einem Labor untersucht werden konnte, um meine zweite
Hormonstatusbestimmung durchführen zu lassen. Diese Blutuntersuchung
wurde von da an jeden Monat durchgeführt, um den Verlauf der
Hormontherapie dokumentieren zu können und um meine Blutwerte zu
kontrollieren .
Am 15.09. 2011 kam der denkwürdige Augenblick, an dem ich zum
ersten mal die Tabletten ein. Mir war klar das sich mein Leben
von da an sehr verändern würde und es kein zurück mehr geben
konnte. Die hormonelle Substitution werde ich für den Rest meines
Lebens weiter durchführen müssen. Meine Tagesdosis waren 2 mg
Estrifam (Östrogen) und 10 mg den Testosteronblocker Androcur.
Nach
ca. drei Wochen begann ich die Wirkung zu spüren. Meine Brust begann
zu schmerzen und wurde sehr empfindlich. Die Brustwarzen vergrößerten
sich und juckten. Meine Libido verschwand langsam, d.h. ich bekam
keine Erektion mehr.
Das
schönste jedoch war, dass in mir eine so wunderbare Friedlichkeit
entstand, wie ich sie niemals zuvor verspürt hatte. Ich wurde viel
ruhiger und nahm die Dinge gelassener.
Im
Oktober ergab erneute Blutuntersuchung das sich meine CT-Leberwerte
drastisch erhöht hatten. Daraufhin setzte Frau Dr. Wöhle den
Testosteronblocker Androcur erst einmal ab und ich nahm nur die
Östrogene. Einen Monat später hatten sich meine Leberwerte jedoch
wieder erholt, aber anstatt 10 mg Androcur nahm ich nur noch die
Hälfte, also 5 mg, davon ein.
Mit der
Zeit wurde ich, als Folge der hormonellen Umstellung emotional sehr
viel empfindlicher und unterlag Stimmungsschwankungen die ich vorher
noch nie hatte. Die Tränen stiegen mir sehr schnell in die Augen,
wenn irgend etwas außergewöhnliches geschah oder mich eine
Situation emotional sehr berührte. Zudem traten urplötzlich
Depressionen auf, mit denen ich fertig werden musste. Darauf war ich
von meiner Psychologin und Frau Dr. Wöhle vorbereitet worden und ich
lernte damit umzugehen. Aber es war echt nicht einfach. Hinzu kam
auch noch, dass mein Umfeld mich in meiner zweiten Pubertät ertragen
musste...ojeoje........
- 2012 -
Ab Februar 2012 erhöhten wie die Östrogendosis auf 4 mg
täglich, denn mein körperlicher Zustand hatte sich stabilisiert.
Inzwischen hatte ein weibliches Brustwachstum eingesetzt, mein
Haupthaar hatte sich verdichtet und meine Haut war feinporiger
geworden. Die Körperhaare wurden dagegen dünner und ich hatte an
Körpergewicht zugenommen.
Im März
2012 beantragte ich meine Vornamen- und Personenstandsänderung beim
Amtsgericht in Frankenthal, das als einziges in Rheinland Pfalz für
die Entscheidung über die Personenstands- und Vornamensänderung
zuständig ist. Dazu benötigte das Gericht einen Lebenslauf von mir,
der meine transidente Entwicklung beschrieb, eine aktuelle
Meldebescheinigung über meinen Wohnort und 1000,- €
Vorkostenzuschuss. Ich hätte auch Prozesskostenhilfe beantragen
können, wollte es aber nicht tun, weil es meinen Transitionsprozess
verlangsamt hätte. Außerdem glaube ich nicht, das ich aufgrund
meines Einkommens überhaupt etwas bekommen hätte.
Viele
Betroffene hatten mir von ihren Schwierigkeiten erzählt, die sie
hatten. Aber ich wurde total überrascht. Hilfsbereitschaft und
Unterstützung, wohin ich auch ging, kam und blickte. Egal ob
Psychologen, Gutachter, die Menschen bei Gericht oder die
Krankenkasse, alle waren voll bei der Sache. Vielleicht hatte es
daran gelegen, dass ich sinngemäß jeder Person sagte: „Ich bin
transgeschlechtlich und brauche jetzt Ihre Hilfe und Unterstützung,
weil.....“
Das
Amtsgericht hatte die von mir vorgeschlagenen Gutachter akzeptiert
und Anfang Juli hatte ich den ersten Termin bei Dr. Seikowski in
Leipzig. Ich hatte ihn gebeten mir eine Kopie seines Gutachtens so
schnell wie möglich zu schicken, damit ich mein Zeitfenster
einhalten kann, dass besagte, dass ich bis Ende 2012 mit allem durch
sein wollte.
Bereits
nach vier Tagen hatte ich es im Postkasten.
Bei
meinem zweiten Gutachtertermin, der eine Woche später in Lüneburg
bei Prof. Dr. Vogel war, verhielt es sich fast genauso. Bei ihm saß
ich etwas länger auf dem Stuhl als bei Dr. Seikowski, aber nach
einigen Tagen hatte ich, zeitgleich mit den Kopien vom Amtsgericht,
sein Gutachten ebenfalls in der Hand.
Beide
Gutachten waren inhaltlich gleich. Einziger Unterschied, das
Gutachten von Dr. Seikowski war ein psychologisches und das von
Prof. Vogel ein psychiatrisches. Ein Unterschied, der sich später
bezahlt machen sollte, als der MDK anstatt eines psychologischen, ein
psychiatrisches Gutachten verlangte.
Anfang
Juli 2012 stellte ich bei meiner Krankenkasse, der AOK, den Antrag
auf Kostenübernahme für meine geschlechtsangleichende Operation,
kurz GAOP genannt.
Die
Krankenkasse schrieb mit daraufhin welche Unterlagen sie brauchte, um
meinen Antrag beim medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK)
vorzulegen, der letztendlich entschied, ob die Operation bezahlt
wurde oder nicht. Ich hatte alle Unterlagen beisammen und sendete sie
dorthin. Nun galt es nur noch abzuwarten.
Durch Inka und ihrem Blog wurde ich auf das Westklinikum in Hamburg und Dr.
Tobias Pottek aufmerksam gemacht. Sie hatte sich dort operieren
lassen und in ihrem Blog sehr anschaulich seine OP-Methode, sowie die
Klinik beschrieben. Das hatte mir gefallen.
Also
machte ich für Anfang August einen Termin mit Dr. Pottek aus und
fuhr mit meiner Frau dorthin. Ich war zum ersten mal richtig
aufgeregt, denn wie alle anderen Beteiligten in einem
Angleichungsprozess, mußte auch er mich anerkennen und annehmen.
Als ich
vor ihm saß verflog meine Aufregung aber sofort. Dr. Pottek ist
nicht nur ein hervorragender Chirurg, sondern ebenso ein sehr
beeindruckender Mensch. Sein offenes und verständnisvolles Wesen,
sowie seine Ansichten über „transgeschlechtliche“ Menschen, wie
er sie nennt, zeigten mir, dass vor mir ein Mann saß, der mit vollem
Herzen bei der Sache ist.
Mein
Vertrauen zu ihm war sehr schnell hergestellt, denn ich hatte nicht
den Eindruck, daß er mich nicht nur als potentielle Patientin,
sondern als Mensch ansah, der seine Hilfe benötigte.
Die
Klinik und ich vereinbarten einen optionalen Operationstermin für
den 08.10.2012, obwohl die Kostenübernahme durch die Krankenkasse
noch nicht auf dem Tisch lag.
Auch
eine Besonderheit, weil andere Kliniken erst dann einen Termin geben,
wenn die Kostenübernahme der Kasse vorliegt.
In der
ersten Septemberwoche erhielt ich einen Brief des MDK, der mich
zunächst erschütterte. Die Ärztin des MDK erkannte das
psychologische Gutachten von Dr. Seikowski nicht an, dass ich zu den
Unterlagen beigefügt hatte, die ich an die Krankenkasse geschickt
hatte. Ebenso den Verlaufsbericht meiner Endokrinologin und die
Diagnose meiner Psychologin, die ihr nicht ausführlich genug war.
Von ihr wollte sie obendrein auch noch wissen ob ich suizitgefährdet
bin und in welchen sozialen Verhältnissen ich lebe.
Das
brachte mich auf die Palme, weil ich alle geforderten Unterlagen
bereits eingereicht und wiederholt nachgefragt hatte, ob das wirklich
alles sei, was für den MDK nötig sei
Also
rief ich gleich bei der AOK an, beschwerte mich und führte ein sehr
langes, intensives Gespräch mit einem Mitarbeiter der AOK, der mir
versprach sich umgehend mit dem MDK in Verbindung zu setzen.
Ich
selbst ließ mir einen neuen, kompletten Verlaufsbericht der HRT,
eine neue, detaillierte Diagnosebescheinigung
ausstellen und fügte nun das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr.
Vogel bei.
Das
alles schickte ich an den Mitarbeiter der Krankenkasse und schrieb
einen sehr aussagekräftigen Brief an die Ärztin des MDK, in dem ich
ihr Gutachten scharf kritisierte und ihr klar machte, dass ich mir
das nicht gefallen lasse und notfalls vor Gericht gehe, sollte mein
Operationstermin platzen, weil alle Unterlagen, die sie erhalten
hatte, stimmig waren und die Kostenübernahme meiner GA-OP
rechtfertigten.
Hinzu
kam noch, dass ich am 18. September 2012 meine Anhörung bei Gericht
hatte, in der die Richterin den Beschluss gefasst hatte meinem Antrag auf
Vornamens- und Personenstandsänderung zu folgen. Ich war also legal
und offiziell bereits eine Frau. Es musste nur noch die gesetzliche
Frist eingehalten werden, damit das Urteil rechtskräftig wurde. Auch
das erwähnte ich in meinem Brief an den MDK.
Gleichzeitig
machte der Mitarbeiter der AOK einen ziemlichen Druck, weil ihm klar
war, dass es für die Kasse sehr teuer werden konnte, würde mein
OP-Termin nicht eingehalten werden. Als selbstständige Unternehmerin
konnte ich praktisch keine Aufträge mehr annehmen, weil ich ja nicht
wußte, wann ich einen neuen OP-Termin bei Dr. Pottek bekomme und das
Urteil der dann anstehenden Klage gegen die Krankenkasse abwarten
musste, welches mit Sicherheit positiv für mich gewesen sein würde.
Am 25
September 2012 erhielt ich den Anruf des Mitarbeiters der AOK, der es
sich nicht nehmen lassen wollte mich persönlich und vorab darüber
zu informieren, dass der MDK entschieden hatte, meinem Antrag auf
Kostenübernahme zuzustimmen.
Mir
fiel ein echter Stein vom Herzen....
Im Krankenhaus:
Am
07.10. 2012 begab ich mich in das Westklinikum in Hamburg, wurde von
Dr. Pottek untersucht und bereitete mich mental auf die anstehende
Operation vor. Es war geschafft!!
Die
Aufregung der letzten Wochen war verschwunden.
Eigentlich
hatte ich vorher immer gedacht, dass ich in der Nacht vor der OP kaum
schlafen würde. Aber das Gegenteil war der Fall, denn ich schlief
sehr ruhig und ich erwachte morgens frisch und ausgeruht. Auf meine
scherzhafte Frage, was es zum Frühstück gäbe erhielt ich ein
freundlichen Lächeln, einen Tee und eine Flasche Mineralwasser.
Bei der
Voruntersuchung hatte ich darum gebeten mich vor der Operation nicht
mit schweren Medikamenten flachzulegen, weil ich bei einer
vorhergegangenen Leistenbruch OP die Erfahrung gemacht hatte, dass es
mir nicht gut bekam. Demzufolge erhielt ich eine halbe Stunde, bevor
ich in den OP geschoben wurde, eine sogenannte „Scheißegal-Pille“,
also ein leichtes Medikament, welches mich lediglich gelassener
werden lassen sollte.
Naja,
ob die mich auch wirklich gelassener machte, dass weiß ich echt
nicht, aber während ich anästhesistisch auf das kommende
vorbereitet wurde, plauderten die Anästhesistin, der
Anästhesiepfleger und ich in einer lockeren Atmosphäre über alles
mögliche. Ich bekam einen Schmerzkatheter und die Zugänge gelegt.
Als das erledigt war, legte ich mich auf eine Bahre und bat die
Ärztin mir Bescheid zu sagen, wenn sie die Narkose einleitete, damit
ich mich mental fallen lassen konnte. Ich wollte alles bewusst wahr-
und aufnehmen, solange ich es konnte. Sie sagte Bescheid, über mein
Gesicht hielt der Pfleger eine Atemmaske und nach einigen Sekunden
ich fühlte ein kribbeln in der Nase.
„Moment!“
sagte ich und kratzte mir erstmal mit dem Finger in den Nasenlöchern.
„Okay“ sagte ich und dann merke ich bereits das Narkosemittel.
Bevor es endgültig wirkte sagte ich noch „Tschüss“ und das
nächste was ich dann sah waren die lachenden Augen der
Narkoseärztin, die mir sagte das die Operation vorbei sei und alles
gut verlaufen war.
„Wie,
alles bereits vorbei?“ sagte ich und schaute mich im Operationssaal
um. Dort standen mehrere Personen, Tücher vor dem Mund, die mich mit
lachenden Augen liebevoll ansahen, in denen ich zudem Freude und
Stolz erkennen konnte.
Mein
Blick blieb an einer Person haften, die direkt rechts neben mir
stand. „Doktor Pottek?“ fragte ich und als er mir zunickte bat
ich ihn zu mir zu kommen. Als er bei mir war, legte ich ihm meinen
rechten Arm um den Nacken zog ihn zu mir herunter und gab ihm einen
Kuss auf die Wange. „Dankeschön“ sagte ich noch zu ihm, bevor
man mich in den Aufwachraum schob.
Die
folgenden Minuten werden mir immer im Gedächtnis bleiben, so
fürsorglich kümmerte sich eine Krankenschwester um mich. Leider
habe ich ihren Namen vergessen.
Der
Anästhesiepfleger kam noch einmal zu mir und wünschte mir für mein
„neues“ Leben alles Gute. Ich wußte definitiv, dass mit nichts
mehr passieren konnte. Menno, war das schön!
Zurück
auf meinem Zimmer, ich lag dort alleine, schlief ich erstmal ein paar
Stunden.
Die
erste Nacht nach der Operation war ziemlich hart. Trotz
Schmerzkatheter hatte ich kolossale Rückenschmerzen, die wie sich
später heraus stellte, von der kaputten Mechanik des Bettes hervor
gerufen wurden, weil es unmöglich eingestellt war und sich nicht
mehr bewegen ließ. Dadurch lag ich in einer unmöglichen Position.
Das wurde am nächsten Tag behoben, indem ich in das zweite,
leere Bett meinem Zimmer umsiedelte. Was für eine Wohltat! Die
Rückenschmerzen waren Vergangenheit.
Ich
hatte einen Fernseher auf dem Zimmer, Internetanschluss, Telefon und
einige Bücher. Langeweile kam nie auf.
Dr.
Pottek erschien in regelmäßigen Abständen und erkundigte sich nach
meinem Befinden. Genauso seine Kollegen und Kolleginnen im
Westklinikum Hamburg, die sich jederzeit feinfühlig, professionell,
um die Belange ihrer Patienten und Patientinnen kümmern. Diese
Visiten waren immer etwas besonderes für mich, denn neben der
medizinischen Ernsthaftigkeit, mit der vorgegangen wurde, war es
immer fröhlich und heiter zugegangen.
Zum
Lachen ging dort niemand in den Keller, ganz im Gegenteil. In der
urologischen Abteilung der Klinik erschallte bereits frühmorgens
fröhliches Lachen, daß einem Grübchen in die Wangen zauberte. Das
gesamte Personal war hilfsbereit und jederzeit für einen da.
Ich
spürte bei mir abermals eine erneute, gefühlsmäßige Veränderung.
Meine Kindheit, meine Jugend, ja mein ganzes Leben zog in meinen
Gedanken vorbei. Es begann ein anderer, unbewusster Prozess. Ich
begann den Menschen zu verzeihen, die mir viele der Dinge angetan
hatten, die mir während meiner Kindheit große seelische und
körperliche Schmerzen bereiteten. Für mich ein unglaublich
wichtiger Schritt, denn ich wollte endlich mit den Dingen
abschließen, die mir mein Seelenleben oft so schwer gemacht hatten.
Dabei kamen mir häufig die Tränen. Oft waren es auch einfach Tränen
des Glücks, denn ich war glücklich, sehr glücklich sogar.
Als ich
mich das erste mal nackt im Spiegel sah dachte ich nur: „So ist es
endlich richtig.“ und spürte einen Frieden in mir, der bis heute
anhält. Ich bin bei mir...........
Nach der Entlassung aus der Klinik:
Am
11.11.2012, nach 34 Tagen, wurde ich aus der Klinik entlassen. Normal
bewegen und lange herumlaufen ging noch lange nicht, denn der
Heilungsprozess nach so einer schweren Operation kann ziemlich lange
dauern.
Aber
ich konnte zumindest den verwaltungstechnischen Teil erledigen, denn
während des Klinikaufenthaltes war der Beschluss des Amtsgerichtes
auf die Vornamens- und Personenstandsänderung rechtskräftig
geworden. Ich konnte mir endlich neue Ausweispapiere beschaffen.
Zunächst
beantragte ich eine neue Geburtsurkunde, was sich problemlos online
erledigen ließ. Als ich diese in den Händen hatte stiegen mir die
Tränen in die Augen. Jetzt hatte ich es schriftlich, dass ich als
Mädchen auf die Welt gekommen bin. Was für ein schönes Gefühl!
Einige
Tage später ging es ab zur Meldestelle, um meine neuen Papiere zu
beantragen. Meine alten Papiere, wie Ausweis, Pass und Führerschein
wurden entwertet und vor meinen Augen vernichtet. Ich ließ mir einen
vorläufigen Ausweis und Führerschein ausstellen. Die notwendigen,
biometrisch-hässlichen Fotos hatte ich mir zwischenzeitlich machen
lassen und vorher abgeholt. Bis auf den Führerschein habe ich
inzwischen alles erhalten.
Vor
einigen Wochen wurde mir plötzlich klar, weshalb ich immer das
Gefühl hatte etwas suchen zu müssen, was ich vermisste, während
ich um die halbe Welt reiste und es nicht fand.
Dabei
hätte ich nicht einmal einen Nanometer weit gehen müssen um es zu
finden, denn es war Ich selbst. Diese einfache und fundamentale
Erkenntnis war die letzte, die mich umgehauen hat.
Meine
Reise ist also zuende. Ich bin angekommen....bei mir
selbst.....endlich...... und endlos glücklich.
Gesundheitlich
bin ich noch nicht genesen, aber auch das wird immer besser...
Sobald die narben richtig verheilt sind werde ich erneut in die Klinik gehen, damit die übliche Korrektur Operation vorgenommen werden kann. Danach erzähle ich mehr.
Bis dahin alles Liebe, Petra
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